Cannabis wird legal – werden Strafen erlassen?

Die Bundesregierung plant, den Besitz und Anbau von Cannabis zum Eigenkonsum in bestimmten Grenzen zu legalisieren. Neben einem besseren Gesundheitsschutz durch bessere Kontrolle des Wirkstoffgehalts der Cannabisprodukte soll die Justiz entlastet werden, die auch wegen kleiner Mengen Cannabis nach derzeitiger Rechtslage eine Vielzahl von Strafverfahren einleiten muss. Geplant ist derzeit, dass die neue Rechtslage ab dem 1. April 2024 gelten soll.

Der Gesetzesentwurf sieht sich vielseitiger Kritik ausgesetzt. Es wird insbesondere vom Bundesrat angemahnt, dass der mit der Entkriminalisierung einhergehende Verwaltungsaufwand zu einer Mehrbelastung der Justiz führen könnte. Wann und ob das Gesetz wie geplant in Kraft treten kann, ist also ungewiss.

Trotzdem lohnt sich ein Blick auf die Frage, was der Gesetzesentwurf für dem Umgang mit Verurteilungen nach der alten Rechtslage vorsieht:

Was genau soll legal werden?

Dazu muss man sich zunächst vor Augen führen, welche Verhaltensweisen künftig überhaupt nicht mehr strafbar sein sollen. Es ist keinesfalls so, dass im Bereich Cannabis künftig alles erlaubt sein soll, es gelten weiterhin mehr oder weniger strikte Verbote:

Nach dem aktuellen Gesetzesentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 20/8704) soll es Erwachsenen künftig erlaubt sein, für den Eigenkonsum bis zu 25 Gramm Cannabis zu besitzen. Zusätzlich soll es legal werden, bis zu drei Cannabispflanzen zu besitzen.

Weiterhin verboten ist der Handel und auch die Weitergabe des selbst angebauten Cannabis an andere Personen.

Größere Mengen als 25 Gramm sind nur im Rahmen von so genannten Anbauvereinigungen erlaubt, die einer behördlichen Erlaubnis bedürfen. Auch diese Regelung gilt nur für Erwachsene über 18 Jahren. Das von einer Anbauvereinigung gezogene Cannabis darf nur an die Mitglieder der Vereinigung weitergegeben werden und nur dann, wenn das Cannabis zum Eigenkonsum bestimmt ist.

Auch für die Anbauvereinigung gelten dabei Mengengrenzen: An Mitglieder, die mindestens 21 Jahre alt sind, können höchstens 25 Gramm pro Tag, aber nicht mehr als 50 Gramm im Monat abgegeben werden. Für Mitglieder zwischen 18 und 21 Jahren sind geringere Mengen von 25 Gramm pro Tag, aber nur insgesamt 30 Gramm pro Monat erlaubt, wobei auch der Wirkstoffgehalt auf 10 % THC beschränkt ist.

Die Mitglieder der Anbauvereinigung dürfen das Cannabis nicht an Dritte weitergeben.

Wird gegen diese Regeln verstoßen, liegt auch nach der geplanten Rechtslage eine Straftat vor, die mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe geahndet werden kann. In besonders schweren Fällen, etwa bei gewerbsmäßigen Verstößen, drohen höhere Strafen.

Was passiert mit Verurteilungen nach altem Recht? Werden Inhaftiere entlassen?

Der Gesetzesentwurf sieht Regelungen für so genannte „Altfälle“ vor, also für Fälle, in denen eine Verurteilung wegen Cannabisbesitzes erfolgte, die nach der neuen Rechtslage nicht mehr strafbar ist:

Durch einen Verweis auf Art. 313 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB) sieht der Entwurf vor, dass solche Verurteilungen nicht mehr zu vollstrecken sind. Das bedeutet, dass Geldstrafen nicht bezahlt werden müssen und Personen, die zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurden, aus der Haft zu entlassen sind.

Das gilt für solche Verurteilungen, die bei Inkrafttreten – nach aktueller Planung also am 1. April 2024 – rechtskräftig waren.

Darüber hinaus findet die Regelungen Anwendung auf Konstellationen, in denen vor dem Inkrafttreten bereits ein Urteil gesprochen wurde, es aber erst nach Inkrafttreten rechtskräftig wird, weil noch eine Rechtsmittelfrist läuft, ein Rechtsmittel zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird oder aus anderen Gründen eine Anpassung der Verurteilung an die neue Rechtslage nicht mehr möglich war.

Was passiert, wenn man gleichzeitig noch wegen anderer Delikte verurteilt wurde?

Komplizierter ist die Lage, wenn eine Person wegen verschiedener Delikte verurteilt wurde und die Strafbarkeit damit nur zu Teil entfällt. In dieser Konstellation wird die Strafe nicht komplett erlassen, da sie zum Teil für Taten verhängt wurde, die nach wie vor strafbar sind.

Hierfür sieht Art. 313 EGStGB vor, dass ein Gericht die Strafe neu festsetzen muss. Da ein Teil der Strafbarkeit entfällt, wird die Strafe geringer ausfallen.

Muss ich einen Antrag stellen? Holen Sie sich anwaltlichen Rat!

Die aktuell geplante Regelung sieht vor, dass Verurteilungen mit Inkrafttreten nicht mehr vollstreckt werden dürfen; Inhaftierte wären demnach ohne weiteren Antrag aus der Haft zu entlassen und Geldstrafen zu erlassen.

In der Praxis wird sich dies voraussichtlich schwieriger gestalten: Die Staatsanwaltschaften als für die Strafvollstreckung zuständigen Behörden müssten die von der Neuregelung betroffenen Personen rechtzeitig identifizieren, damit die Entlassung zum 1. April 2024 stattfinden kann. Es ist damit zu rechnen, dass wegen der mangelhaften Digitalisierung und Arbeitsüberlastung der Justiz nicht alle betroffenen Personen rechtzeitig bzw. zutreffend identifiziert werden können.

Wenn Sie auf „Nummer sicher“ gehen wollen, holen Sie sich rechtzeitig anwaltlichen Rat – H2W Strafrecht berät Sie gern!

Noch zäher dürfte sich der Prozess in Konstellationen gestalten, in denen die Strafe neu festgesetzt werden muss, weil wegen verschiedener Delikte verurteilt wurde. Hier kann nicht die Staatsanwaltschaft entscheiden, sondern es ist eine Gerichtsentscheidung erforderlich. Das Gericht wird sich bei der Entscheidungsfindung damit auseinandersetzen müssen, welchen Anteil der nun legale Cannabisbesitz an der Strafhöhe hatte und eine neue Strafe bilden. Es ist also auch hier mit erheblichen Bearbeitungszeiten zu rechnen.

Obwohl auch in dieser Konstellation kein Antrag erforderlich ist, kann eine neue Entscheidung über die Strafe eingefordert werden – auch hierfür stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.

Kommt das Gesetz?

Ob das Gesetz wie geplant zum 1. April 2024 in Kraft treten wird, ist ungewiss. Zwar ist es realistisch, dass es eine Mehrheit im Bundestag findet, kann jedoch noch durch den Bundesrat verzögert  werden:

Der Bundesrat hat sich nicht grundsätzlich gegen die teilweise Legalisierung gestellt, aber als Ländervertretung – neben anderen Teilen des Gesetzesentwurfs – insbesondere den Umgang mit „Altfällen“ stark kritisiert. Befürchtet wird eine Überlastung der in den Zuständigkeitsbereich der Bundesländer fallenden Justiz durch die Vielzahl an Verfahren, die überprüft werden müssten. Nach Auffassung des Bundesrates sollte es einen Erlass solcher Strafen überhaupt nicht geben, da der Gesetzesentwurf Prävention bezwecke und daher in die Zukunft gerichtet sei.

Der Bundesrat muss dem Gesetz zwar nicht ausdrücklich zustimmen, kann aber Einspruch einlegen mit der Folge, dass der so genannte Vermittlungsausschuss einberufen wird. Dieser Ausschuss, der sich aus Mitgliedern beider Gremien zusammensetzt, verhandelt den Gesetzesentwurf erneut und gibt eine Empfehlung ab, wie der Konflikt beigelegt werden kann. Diese Empfehlung muss dann von Bundestag und Bundesrat angenommen werden, worüber erneut abgestimmt wird.

Eine mögliche Lösung des Problems wären längere Übergangsfristen für den Erlass der Strafen nach altem Recht, die eine Vorbereitung und Umsetzung durch die Justiz ermöglicht. Während damit grundlegend Einigkeit herrscht, dass eine Form von Legalisierung stattfinden soll, ist der zeitliche Rahmen noch nicht klar.