Zulässiger Zwang?

Entsperrung des Mobiltelefons durch Auflegen eines Fingers des Verdächtigen

Polizeibeamte hielten einen Verdächtigen fest und zwangen ihn, sein Handy durch Auflegen seines Fingers auf den Fingerabdrucksensor zu entsperren, obwohl er sich dagegen wehrte. Der Mann wollte dies gerichtlich anfechten, scheiterte jedoch vor dem Oberlandesgericht (OLG) Bremen.

Was lag der Entscheidung des OLG Bremen zugrunde?

Das OLG entschied, dass die Polizei berechtigt sei, den Fingerabdruck eines Beschuldigten auch gegen dessen Willen zu nutzen, um ein Mobiltelefon zu entsperren. Diese Befugnis leite sich aus § 81b Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO) ab, der „erkennungsdienstliche Maßnahmen bei dem Beschuldigten“ normiert. Diese Vorschrift erlaubt die Aufnahme von Fingerabdrücken und Fotos für die Zwecke der Durchführung von Strafverfahren. Während bisher vor allem Amts- und Landgerichte dies entschieden hatten, schloss sich das OLG Bremen als erstes Obergericht dieser Ansicht an (Beschl. v. 08.01.2025, Az. 1 ORs 26/24).

Der Mann, dessen Wohnung im Februar 2023 durchsucht wurde, stand im Verdacht, kinderpornografisches Material zu verbreiten (§ 184b Abs. 1 StGB). Erst bestand er darauf, nicht im Besitz eines funktionstüchtigen Handys zu sein. Als dieses dann während der laufenden Durchsuchung vernehmbar klingelte und gefunden wurde, verweigerte er die Entsperrung seines Handys und versuchte, zu fliehen. Die Polizisten überwältigten ihn und entsperrten das Gerät, indem sie seinen Finger gewaltsam auf den Sensor legten. In dem Versuch, diese Maßnahme zu verhindern, schlug der Mann mehrfach um sich.

Wegen seines Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte im Sinne des § 113 Abs. 1 StGB wurde der Mann vom Amtsgericht Bremerhaven zu einer Geldstrafe verurteilt, was auch das Landgericht Bremen bestätigte. In seiner Revision machte er geltend, die Maßnahme sei unrechtmäßig gewesen, da er nicht verpflichtet gewesen wäre, sich selbst zu belasten. Er argumentierte, die Polizei hätte das Handy sicherstellen und die Eigentumsverhältnisse klären müssen, statt ihn zur Entsperrung zu zwingen.

OLG Bremen hält Zwangsmaßnahme für zulässig

Das OLG Bremen wies diese Argumentation zurück und entschied, dass das Vorgehen der Polizei rechtmäßig war. Die Entsperrung des Handys durch Auflegen des Fingers sei eine „ähnliche Maßnahme“ im Sinne von § 81b Abs. 1 StPO. Das Gericht betonte, dass diese Maßnahme weniger schwerwiegend sei als die dauerhafte Speicherung von Fingerabdrücken, da die Nutzung des Abdrucks in diesem Fall einmalig und ohne Speicherung erfolgte.

Das Gericht erklärte zudem, dass die zwangsweise Entsperrung verfassungsrechtlich unbedenklich sei. Zwar greife sie in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz [GG]) und die Integrität informationstechnischer Systeme (vgl. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) ein, doch sei dieser Eingriff verhältnismäßig. Da es sich um einen offenen und keinen verdeckten Zugriff handelte, sei keine besonders strenge Rechtfertigung erforderlich. Der Eingriff sei auch angemessen, da die Maßnahme zur Aufklärung des Verdachts der Verbreitung kinderpornografischer Inhalte beitragen konnte. Das OLG kam zu dem Schluss, dass die Grundrechte des Mannes hinter den höher zu bewertenden Rechtsgütern zurückstehen müssten.

Was bedeutet das im Einzelfall?

Sollte Ihnen eine erkennungsdienstliche Maßnahme drohen oder wurde diese bereits durchgeführt, beraten Sie die Anwältinnen und Anwälte von H2W Strafrecht gern bereits frühzeitig, wie Sie die Anordnung dieser gerichtlich überprüfen lassen können und worauf es neben der Maßnahme als solcher – etwa im Hinblick auf den Gang des Strafverfahrens oder auch Ihre Daten – weiterhin ankommt.

Wir klären Sie darüber auf, welche Maßnahmen als „ähnlich“ im Sinne des § 81b Abs. 1 StPO ausgelegt werden können, wann es sich lohnt, gerichtlich gegen die Anordnung vorzugehen und was Sie bei einer Durchsuchung grundsätzlich beachten bzw. wie wir Sie bei dieser bereits unterstützen können.