Urteil mit Nebenwirkung

Aktuelle Rechtsprechung zu Folgen einer strafrechtlichen Verurteilung am Beispiel von Steuerberatern und Apothekern

Feststellungen, die im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens oder eines Urteils getroffen werden, können oft weitreichende Folgen für die betroffenen Personen haben. Es ist daher unbedingt notwendig, sich frühzeitig mit den möglichen Nebenfolgen einer Verurteilung auseinanderzusetzen.

Anhand zwei aktueller Entscheidungen wird in folgendem Beitrag beispielhaft aufgezeigt, welche berufsrechtlichen Konsequenzen eine strafrechtliche Verurteilung für Steuerberater und Apotheker haben kann.

Widerruf der Bestellung als Steuerberater bei Vermögensverfall aufgrund von Steuerschulden

Die Steuerberaterkammer kann die Bestellung als Steuerberater gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 Steuerberatungsgesetz (StBerG) widerrufen, wenn der Steuerberater in Vermögensverfall geraten ist und dadurch die Interessen der Auftraggeber gefährdet sind.

Das Finanzgericht Hamburg hat sich anschaulich in seiner Entscheidung vom 2. Dezember 2021 – 6 K 112/20, mit deren Voraussetzungen beschäftigt.

Vermögensverfall – hohe Steuerschulden können ausreichen

Ein Vermögensverfall wird grundsätzlich vermutet, sofern ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerberaters eröffnet wurde. Unabhängig davon, liegt ein Vermögensverfall vor, wenn der Steuerberater in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann und er außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen.

Nach der aktuellen Entscheidung des Finanzgerichts Hamburg stellen dabei bereits erhebliche Steuerschulden einen Vermögensverfall nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG dar, völlig unabhängig davon, ob ein Ermittlungsverfahren oder Insolvenzverfahren eingeleitet worden sind.

Demnach obliege es dem Steuerberater nachzuweisen, dass die Schulden nicht bzw. nicht in dieser Höhe vorliegen. Nicht ausreichend sei, dass Rechtsbehelfe gegen die Steuerbescheide eingelegt wurden. Im Interesse der Allgemeinheit könne nicht abgewartet werden, bis alle Rechtsbehelfe gegen die Steuerbescheide ausgeschöpft sind.

Damit entscheidet das Finanzgericht sich gegen eine einschränkende Auslegung, beispielsweise die Beschränkung auf unstreitige Steuerforderungen. Dies entspreche – so das Gericht, der gesetzlichen Entscheidung, dass Einsprüche im Steuerfahren keine aufschiebende Wirkung entfalten.

Gefährdung von Auftraggeberinteressen bei Missachtung von vertraglichen Vereinbarungen

Eine konkrete Gefährdung von Auftraggeberinteressen sei – so das Finanzgericht – anzunehmen, wenn der Steuerberater in sonstigen geschäftlichen oder auch eigenen Angelegenheiten unzuverlässig ist und sich nicht an gesetzliche Vorgaben halte. In derartig gelagerten Fällen werde davon ausgegangen, dass der Steuerberater unter dem Druck des Vermögensverfalls vertragliche Vereinbarungen und damit das Mandanteninteresse verletze.

Dabei ist nach der Entscheidung des Finanzgerichts Hamburg nicht erforderlich, dass Vereinbarungen verletzt und ein Schaden verursacht werde. Ausreichend sei schon eine potenzielle Gefährdung, beispielsweise wenn der Steuerberater in eigenen Angelegenheiten unzuverlässig ist und sich nicht an gesetzliche Vorgaben wie seine eigenen steuerlichen Erklärungs- und Zahlungsverpflichtungen halte. In derartigen Fällen sei zu erwarten, dass der Steuerberater angesichts seiner Vermögenslosigkeit auch Mandanteninteressen verletze.

Widerruf der Approbation eines Apothekers nach Verurteilung wegen Abrechnungsbetrugs

Nach einer weiteren aktuellen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 14. Dezember 2021 – AN 4 K 20.02757, ist der Entzug einer Approbation nach einer erfolgten Verurteilung wegen Abrechnungsbetruges zulässig, da sich der Apotheker dadurch zur Ausübung des Apothekerberufs als „unwürdig“ und „unzuverlässig“ erwiesen habe.

Die Begriffe „unwürdig“ und „unzuverlässig“ finden sich in § 4 Abs. 1 Nr. 2 der Bundesapothekerordnung (BapO) und stellen unbestimmte Rechtsbegriffe dar. Deren konkrete Bedeutung ließe sich – so das Verwaltungsgericht – aus dem Gesamtzusammenhang herleiten. So sei nach § 1 BapO die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zentrale Aufgabe eines Apothekers.

Unzuverlässigkeit – „übersteigerter Erwerbssinn“

Das Merkmal der „Unzuverlässigkeit“ ist nach Ansicht des Verwaltungsgericht Ansbach erfüllt, wenn ein Apotheker nicht mehr die Gewähr für die ordnungsgemäße Ausübung des Berufs biete. Das sei insbesondere dann der Fall, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Apotheker werde entsprechend seinem bisherigen Verhalten auch in Zukunft die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten nicht beachten.

Entscheidend sei damit eine Zukunftsprognose, ob die Verstöße gegen Berufspflichten in der Vergangenheit erwarten lasse, dass zukünftig gleiche oder ähnliche Berufspflichten verletzt werden.

So könnten Handlungen, wie beispielsweise ein Abrechnungsbetrug, die auf einen „übersteigerten Erwerbssinn“ schließen lassen zukünftig die Erwartung rechtfertigen, dass das weitere Verhalten des Apothekers von einem derart falschen Gewinnstreben geprägt ist.

Unwürdigkeit – tadelloses Verhalten in allen Bereichen

Für das Merkmal der „Unwürdigkeit“ sei zudem nicht lediglich das Verhalten des Apothekers bei der Betreuung und Beratung von Kunden maßgebend. Der Zweck der Regelung in § 4 Abs. 1 Nr. 2 BApO sei ferner, ein ungetrübtes Vertrauensverhältnis der Bevölkerung in die Apothekerschaft sicherzustellen. So werde nicht nur „Untadeligkeit“ in Bezug auf ihre Pharmaziekunde erwartet, sondern auch in allen berufsbezogenen Bereichen.

Dementsprechend sei zu erwarten, dass ein Apotheker im Rahmen seiner Berufsausübung die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenkassen als wesentlicher Pfeiler des Gesundheitswesens nicht beeinträchtigt. Eine derartige Beeinträchtigung liege allerdings vor, sofern betrügerische oder auch nur leichtfertige Falschabrechnungen in großem Umfang durchgeführt werden.

Drastische Konsequenzen erfordern qualifizierten Rechtsbeistand

Die beiden Entscheidungen zeigen deutlich, dass die möglichen Nebenfolgen einer strafrechtlichen Verurteilung erheblich in die persönliche und unternehmerische Lebensführung eingreifen können.

Die im Wirtschaftsstrafrecht spezialisierten Anwältinnen und Anwälte von H2W Strafrecht nehmen daher nicht nur das aktuelle Verfahren ins Auge, sondern behalten auch über das Verfahrensende hinaus den Überblick, um Sie vor bösen Überraschungen zu bewahren. Lassen Sie sich von uns beraten!