Insolvenzdelikte – wegen Krise in Sicherheit? Strafrechtliche Stolperfallen in der Unternehmensinsolvenz abseits der Insolvenzverschleppung

Die Insolvenzantragspflicht ist in den letzten zwei Jahren vielfach zum Gegenstand von Sonderregelungen geworden, um Krisen abzufedern:  Zunächst wurde während der COVID-Pandemie die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags für Unternehmen ausgesetzt, wenn deren wirtschaftliche Schwierigkeiten auf Corona zurückzuführen waren.

Auch nach der Flutkatastrophe im Ahrtal wurde für flutgeschädigte Unternehmen die Möglichkeit geschaffen, die Insolvenzantragspflicht temporär auszusetzen. Vor dem Hintergrund der stark gestiegen Gas- und Energiepreise im Zuge des Ukraine-Krieges wird erneut diskutiert, eine „Pleitewelle“ durch Erleichterungen im Insolvenzrecht abzumildern.

Die Unübersichtlichkeit, die durch befristete Sonderregelungen geschaffen wird, ist für Unternehmen dabei nicht nur in zivilrechtlicher Hinsicht relevant, sondern schlägt auch auf die strafrechtliche Dimension einer Unternehmensinsolvenz durch.

Insbesondere lassen sich viele Unternehmensverantwortliche dazu verleiten, sich durch Sonderregelungen zu lange oder im Hinblick auf sämtliche insolvenztypische Delikte in (falscher) Sicherheit zu fühlen.

Dabei gibt es neben dem Straftatbestand der Insolvenzverschleppung weitere typische Delikte und Strafbarkeitsrisiken im Rahmen einer Unternehmenskrise, die nicht aus dem Blick geraten sollten:

Vorenthalten von Sozialversicherungsbeitragen, § 266a StGB

Der Klassiker unter den Delikten im Zusammenhang mit einer Unternehmensinsolvenz ist das Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen.

Die typische Konstellation betrifft die Nichtzahlung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung und Arbeitslosenversicherung (Abs. 1), wobei für eine Tatbestandsmäßigkeit bereits ausreicht, die fälligen Beiträge verspätet zu zahlen. Fällig sind die Beiträge grundsätzlich am drittletzten Bankarbeitstag des jeweiligen Beschäftigungsmonats – hier kann bei rechtzeitiger Beratung ggf. durch eine Stundung eine Strafbarkeit vermieden werden.

Unter bestimmten Umständen kann sich eine Strafbarkeit auch daraus ergeben, dass Arbeitgeberanteile nicht oder nicht rechtzeitig abgeführt werden.

In jedem Fall ist die Voraussetzung die Arbeitgebereigenschaft, was insbesondere bei in Start-ups verbreiteten Plattform-Geschäftsmodellen Raum für Verteidigung bietet.

Bilanz- und Buchführungsdelikte, §§ 283, 283b StGB

Häufig geraten in der Unternehmenskrise Buchführungspflichten und die ordnungsgemäße Bilanzierung aus dem Blick, was mit weiteren Strafbarkeitsrisiken einhergeht.

Strafbewehrt ist dabei beispielsweise das „Frisieren“ der Bilanzen oder der Buchführung, wodurch die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens verschleiert werden, oder das verspätete Aufstellen eines Jahresabschlusses. Insbesondere der letzte Fall erfordert eine sorgfältige Prüfung der Fristensituation, die sich je nach Unternehmensgröße unterscheidet.

Bankrott durch Verschleiern oder Beiseiteschaffen von Vermögenswerten

Ein weiterer typischer Vorwurf der Staatsanwaltschaften ist das Beiseiteschaffen von Vermögenswerten des Unternehmens in der Krise, beispielsweise durch Übertragung von Sachwerten auf andere Gesellschaften, um die Assets so vor der drohenden Insolvenz „zu retten“.

Der Vorwurf erfordert eine fachgerechte Verteidigung, da häufig legitime und legale Sanierungsbemühungen als strafrechtlich relevantes Verhalten fehlgedeutet werden.

Gläubigerbegünstigung, § 283c StGB

Schließlich lauern strafrechtliche Stolperfallen in der Unternehmenskrise auch bei der Begleichung von Forderungen der Gläubiger vor Insolvenzantragstellung: Häufig werden Geschäftspartner, mit denen sich die Unternehmensleitung auch für künftige Projekte eine gute Arbeitsbeziehung erhalten möchte, vor Insolvenzantragstellung bezahlt, damit sie nicht wie die anderen Gläubiger lediglich auf die Insolvenzquote verwiesen werden müssen.

Ist die Forderung des Geschäftspartners zu diesem Zeitpunkt noch nicht fällig, kann sich daraus der Vorwurf der Gläubigerbegünstigung nach § 283c StGB ergeben.

Lassen Sie sich im Zweifelsfall strafrechtlich beraten, bevor Sie in dieser sensiblen Phase Forderungen begleichen!

Wie wahrscheinlich ist ein Strafverfahren?

Das Insolvenzgericht ist nach den Vorschriften über die Mitteilungen in Zivilsachen dazu verpflichtet, die Staatsanwaltschaft von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu unterrichten, sofern es sich nicht um ein Privatinsolvenzverfahren handelt.

Sie müssen also bei jeder Unternehmensinsolvenz damit rechnen, dass eine Überprüfung durch die Staatsanwaltschaft auf mögliche Straftaten erfolgt. Oftmals findet diese Prüfung nur oberflächlich statt oder wird durchgeführt, wenn das Insolvenzgutachten noch nicht vorliegt, sodass häufig Strafverfahren eingeleitet werden, die mit einer zielgerichteten Verteidigung leicht wieder aus der Welt geschafft werden können.

Eine sachgerechte Verteidigung gegen Vorwürfe im Zusammenhang mit Insolvenzstraftaten ist dabei in jedem Fall dringend zu empfehlen – bereits geringe Geldstrafen können in diesem Deliktsbereich nach § 6 Abs. 2 GmbHG dazu führen, dass Unternehmensverantwortliche für fünf Jahre von Geschäftsführertätigkeiten ausgeschlossen sind. Gerade Unternehmensgründerinnen und –gründer sollten daher derartige Vorwürfe ernst nehmen, um ihre Zukunft als Entrepreneur*in nicht aufs Spiel zu setzen.

Wann und wie ist Beratung sinnvoll?

Lassen Sie sich in jedem Fall bei der Insolvenzantragstellung von einer auf Insolvenzrecht spezialisierten Kanzlei begleiten. Optimale Vorsorge beinhaltet dabei auch eine strafrechtliche Prüfung in Zusammenarbeit mit Ihrer Insolvenzrechtskanzlei, um Sie vor unnötigen strafrechtlichen Fallstricken und unangenehmen Überraschungen zu schützen –  H2W Strafrecht arbeitet eng mit mehreren Insolvenzrechtsspezialisten zusammen und steht Ihnen gern zur Seite – egal ob vor oder nach Insolvenzantragstellung. Sprechen Sie uns an!