Wer Wahlkampfspenden annimmt und sich später als gewählter Oberbürgermeister bei den Spendern erkenntlich zeigt, dem droht eine Bestrafung wegen Vorteilsannahme. Ein Amtsträger mache sich auch dann strafbar, so der Bundesgerichtshof, wenn ihm zum Zeitpunkt der Tathandlung der Aufgabenkreis der künftigen Dienstausübung noch gar nicht übertragen sei (BGH, Urt. v. 4. November 2021 – 6 StR 12/20; siehe zudem bereits BGH, Beschl. v. 1. Juni 2021 – 6 StR 119/21). Die Staatsanwaltschaft hatte gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg Revision eingelegt, das den Oberbürgermeister einer oberpfälzischen Stadt vom Vorwurf der Vorteilsannahme freigesprochen hatte. Den Freispruch hat der Bundesgerichtshof aufgehoben.
Sachverhalt: Wahlkampf um Bürgermeisteramt
Herr W war Mitglied einer Partei und seit 2006 dritter Bürgermeister sowie Sozialreferent einer oberpfälzischen Stadt. Im Jahr 2014 kandidierte er für das Amt des Oberbürgermeisters, mit Erfolg. Der Wahlkampf wurde durch einen Ortsverein organisiert, der die Wahlkampfkosten von mindestens 800.000 Euro trug. Auch nach seinem Amtsantritt führte W das Wahlkampfbüro zu monatlichen Kosten von 8.000 Euro fort. Um die Kosten zu decken, warb W in den Jahren 2011 bis 2016 insgesamt 1.095.000 Euro ein.
Ein beträchtlicher Teil dieser Summe, insgesamt 475.470 Euro ging auf Spenden eines Bauunternehmens bzw. auf Personen aus dem Umfeld dieser B. GmbH zurück. Alleingesellschafter war der ebenfalls angeklagte Herr T. Dieser wollte vermeiden, öffentlich als Spender bekannt zu werden. Deshalb wurden regelmäßig knapp unter 10.000 Euro an den Ortsverein gespendet (nach dem Parteiengesetz sind Spenden ab 10.000 Euro offenzulegen). Mitarbeiter der B. GmbH spendeten auf Veranlassung von T und eines weiteren Angeklagten an den Ortsverein. Dazu erhielten die Mitarbeiter die Spendenbeträge vorab als Vorschuss zur Verfügung gestellt.
Die B. GmbH war beim An- und Verkauf von Grundstücken sowie der Planung und Durchführung von Baumaßnahmen regelmäßig auf Entscheidungen der Stadtverwaltung angewiesen. Dem späteren Oberbürgermeister, Herr W, war dies bekannt, als er die Spenden einwarb und annahm. Er wusste auch, dass die Spenden aus der Sphäre der B. GmbH stammten.
Nach einem langwierigen und in der Kommunalpolitik umstrittenen Bieterverfahren erhielt die B. GmbH im Jahr 2014 für den Kauf mehrerer Grundstücke den Zuschlag. Im Vorfeld der Stadtratsentscheidung über den Verkauf dieser Grundstücke, setze sich der angeklagte Oberbürgermeister und ein mitangeklagtes Stadtratsmitglied, dem die Spendenzahlungen ebenfalls bekannt waren, dafür ein, dass die B. GmbH den Zuschlag erhielt.
Urteil des Landgerichts Regensburg: Freispruch
Bezüglich der Spenden nach der Wahl zum Oberbürgermeister nahm das Landgericht eine strafbare Vorteilsannahme an. Eine solche verneinte es aber für die Spenden aus den Jahren 2011 bis 2014. Damals habe es noch keine Überschneidungen zwischen dem damaligen Aufgabenbereich des Herrn W als drittem Bürgermeister der Stadt und den Tätigkeiten der B. GmbH gegeben, insbesondere nicht, hinsichtlich des Verkaufs der oben genannten Grundstücke. Die Spenden seien vielmehr gewährt worden, um W den Zugang zum Amt des Oberbürgermeisters zu verschaffen und der B. GmbH im Gegenzug dessen Wohlwollen im Fall seiner Wahl zu sichern. Eine Verbindung zwischen dem zum Zeitpunkt der Tathandlung ausgeübten Amt und der angestrebten Dienstausübung als Oberbürgermeister in Gestalt einer Unrechtsvereinbarung habe nicht bestanden.
Urteil des BGH: Strafbarkeit trotz ungewissen Wahlausgangs
Der Bundesgerichtshof hob den Freispruch des W vom Vorwurf der Vorteilsannahme für die Spenden vor der Wahl, also aus den Jahren 2011 bis 2014, auf. Spiegelbildlich wurden auch die Freisprüche des T und weiterer Angeklagter vom Vorwurf der Vorteilsgewährung kassiert.
Entgegen der Annahme des Landgerichts erfasse § 331 StGB die Annahme von Vorteilen für eine künftige Dienstausübung auch dann, wenn dem Amtsträger zum Zeitpunkt der Tathandlung bei demselben Dienstherrn noch ein anderer Aufgabenkreis als bei der künftigen Dienstausübung übertragen sei. Mit anderen Worten kam eine Strafbarkeit des W wegen Vorteilsannahme für eine eventuelle Dienstausübung als späterer Oberbürgermeister bereits in Betracht, als er diese Position noch gar nicht inne hatte und noch dritter Bürgermeister der Stadt war.
Der Bundesgerichtshof meint außerdem, dass auch der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit zu keinem anderen Ergebnis führe. Zwar sei der Straftatbestand der Vorteilsannahme einschränkend auszulegen, wenn sich ein Amtsträger zur Wahl stelle und Wahlkampfunterstützung erhalte. Der Bereich der Parteienfinanzierung finde aber dort eine Grenze, wo Amtsträger ihre dienstliche Tätigkeit im Wege eines Gegenseitigkeitsverhältnisses mit der Gewährung von Spenden verbinden. In derartigen Fällen erstrebe der Spender nicht nur die Unterstützung einer Person oder einer Partei, sondern eine eigene Bevorzugung durch den Amtsträger. Auch nach dem Parteiengesetz sind derartige „Einflussspenden“ im Gegensatz zu „normalen“ Spenden unzulässig.
Unsere Einschätzung: Wahlkampfspenden bleiben riskant
Das Terrain rund um Wahlkampfspenden bleibt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein strafrechtlich riskantes Feld. Selbst wenn noch vollkommen ungewiss ist, ob die „bestochene“ Person den Posten bekleiden wird, von dem aus sie sich gegenüber dem Spender erkenntlich zeigen kann, droht eine Strafbarkeit wegen Korruptionsdelikten.
Weiterhin gilt es zu beachten, dass auch eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zur Vorteilsannahme durch Personen in Betracht kommt, die Wahlkampfspenden oder andere Zuwendungen für einen (künftigen) Amtsträger entgegennehmen. In dem Urteil hat der Bundesgerichtshof auch den Freispruch eines ebenfalls angeklagten Stadtratsmitglieds wegen Beihilfe zur Vorteilannahme aufgehoben, der Spenden für W entgegengenommen hatte.
Angesichts der strafrechtlichen Risiken ist im Bereich der Parteispenden und vergleichbarer Zuwendungen an (zukünftige) Amtsträger besondere Vorsicht geboten.