Medizinische Verwendung von THC – Fallstricke in der Pflege und Betreuung

Medizinisches THC erlangt in der Pflege und Betreuung an Bedeutung. Im Umgang mit Patientinnen und Patienten gibt es allerdings auch einiges zu beachten.

Einleitung

Von Legalisierungsforderungen der Drogenbeauftragten der Bundesregierung (https://www.tagesschau.de/inland/cannabis-grenze-sechs-gramm-101.html) bis hin zu Rückrufaktionen von Supermärkten und Ermittlungen der Staatsanwaltschaft (https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/heilbronn/ermittlungen-nach-lidl-rueckruf-produkte-mit-cannabis-wirkstoff-staatsanwaltschaft-heilbronn-100.html) – Fragen rund um den legalen Gebrauch von Cannabisprodukten sind und bleiben aktuell. Weniger in den Blick genommen werden dabei oft die Vorgaben zum medizinischen Gebrauch von THC, obwohl dieser gerade im Pflegebereich eine große Rolle spielt:

Medizinisches Cannabis – Ein Überblick

Bereits im Jahr 2017 trat das sogenannte Cannabis-als-Medizin-Gesetz in Kraft (Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 06.03.2017 BGBl. 2017 Teil I Nr. 11, S. 403). Seitdem ist es für Ärzte und Ärztinnen unter bestimmten Voraussetzungen möglich, Medizinal-Cannabisblüten oder Cannabisextrakt in pharmazeutischer Qualität zu verschreiben. Für Patienten und Patientinnen, die zuvor Ausnahmeerlaubnisse beantragen mussten, eine riesige Erleichterung. Im Juli 2021 hat die sogenannte Cannabisagentur des Bundes ihre Arbeit aufgenommen. Apotheken können über ein eingerichtetes Portal medizinisches Cannabis erwerben (https://www.bfarm.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/pm6-2021.html).

Rechtliche Einordnung – Vorgaben aus dem Betäubungsmittelgesetz sowie den ergänzenden Verordnungen

Die medizinische Verwendung von THC-haltigen Produkten hat seine rechtlichen Grundlagen im Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Auch nach der Gesetzesänderung im Jahr 2017 gilt der Grundsatz, dass Cannabis (und alle THC-Produkte) zunächst zu den illegalen Betäubungsmitteln zählt.

Die zentrale Erlaubnisnorm für die ärztliche Behandlung und Grundlage für die Verschreibung sowie Abgabe von THC-haltigen Produkten findet sich in § 13 BtMG. Nur in diesen Grenzen ist eine ärztliche Betäubungsmittel-Behandlung rechtlich zulässig.

§ 13 BtMG findet ausschließlich Anwendung für Betäubungsmittel nach Anlage III zum BtMG. Die Verschreibung oder Verabreichung darf ausschließlich durch (zugelassene) Ärzte oder Zahnärzte, nicht dagegen beispielsweise durch Heilpraktiker oder Hebammen und nur im Rahmen der Behandlung im Rahmen des ärztlichen Heilauftrages erfolgen.

Die Anwendung muss dabei nach Untersuchung und Indikationsstellung begründet sein (Behandlungsplan). Die Anwendung soll nach dem Wortlaut der Norm insbesondere dann nicht begründet sein, wenn der beabsichtigte Zweck auf andere Weise erreicht werden kann.

Die wichtigste ergänzende Rechtsverordnung ist die Verordnung über das Verschreiben, die Abgabe und den Nachweis des Verbleibs von Betäubungsmitteln (Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung – BtMVV). Die Verordnung knüpft an die Vorgaben § 13 BtMG an und enthält relevante Konkretisierungen zur Abgabe und Verschreibung. § 1 der Verordnung enthält dabei die Besonderheit, dass Cannabis im Gegensatz zu anderen Betäubungsmitteln, die im Rahmen einer medizinischen Behandlung verordnet werden können, nicht nur als Zubereitung, sondern auch in Form von getrockneten Blüten verschrieben werden kann.

Neben der Regelung der Höchstmengen bei Verschreibung in § 2 enthält die Verordnung Sondervorschriften für Patienten in Alten- oder Pflegeheimen, Hospizen und in der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung und auch dezidierte Vorgaben der Verabreichung durch dritte Personen (§ 5c). Die §§ 8, 9 der Verordnung enthalten genaue Vorgaben zum Betäubungsmittelrezept.

Kostenübernahme durch die Gesetzliche Krankenversicherung

Die Vorgaben zur Kostenübernahme der Versorgung mit medizinischem THC durch die Kassen finden sich im Fünften Sozialgesetzbuch zur Gesetzlichen Krankenversicherung. Die relevante Norm ist § 31 Absatz 6 SGB V „Arznei- und Verbandmittel, Verordnungsermächtigung“.

Danach haben Versicherte einen Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, soweit kumulativ folgende Voraussetzungen vorliegen:

eine schwerwiegende Erkrankung und keine Möglichkeit/kein Nutzen durch eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung und eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome.

Der Antrag auf Kostenübernahme muss in der Regel vorab erfolgen.

Bedeutung für die Pflege und Betreuung von Patientinnen und Patienten

Insbesondere in der täglichen Praxis von Hausärzten und -ärztinnen sowie im Pflegebereich bleiben trotz der gesetzlichen Vorgaben aber oft Fragen offen. So ist medizinisches Cannabis, wie jedes andere Medikament, nur auf Verschreibung und durch das qualifizierte Fachpersonal nach SGB V zu stellen und zu verabreichen.

Für den Pflegebereich sind Kenntnisse über die rechtlichen Vorgaben unabdingbar. Das Personal ist im Umgang mit medizinischem Cannabis auch in Abgrenzung zu strafrechtlich relevantem Verhalten zu schulen. Schon der Besitz kleinster Mengen von Cannabis, das nicht im Rahmen einer medizinischen Behandlung verordnet wurde, erfüllt grundsätzlich den Straftatbestand des § 29 BtMG. Die Abgabe an Patienten ohne Verschreibung kann einerseits sogar den Tatbestand des Betäubungsmittelhandels erfüllen und andererseits können Fehler in der Dosierung (z.B. die Stellung der Medikamente durch nicht ausreichend qualifiziertes oder geschultes Personal) im schlimmsten Fall zu Vorwürfen der (fahrlässigen) Körperverletzung führen. Das Betäubungsmittelstrafrecht unterscheidet zudem nicht zwischen Zubereitungsarten. Auch sollte zum Beispiel ein Bewusstsein dafür bestehen, dass der passive Konsum zu einem positiven Drogenbefund beim Personal führen kann.

Gerade imPflegebereich sind Seriosität und „Mundpropaganda“ maßgebliche Erfolgsrezepte. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sind daher nicht nur zeit- und kostenintensiv, sondern unabhängig vom Ausgang auch regelmäßig massiv geschäftsschädigend. Daher sollte schon der Anschein von rechtswidrigem Handeln unter allen Umständen vermieden werden.

Rechtsanwalt Dr. Philipp Horrer und Rechtsanwältin Marina Graichen von H2W Strafrecht beraten Sie gern umfassend zu allen strafrechtlichen Fragen im Bereich Pflege und Betreuung. Dabei stehen wir auch für Ausbildung und Fortbildung von Führungskräften und Mitarbeitenden gern zur Verfügung.