Vermögensabschöpfung im Jugendstrafrecht: Zwingende Einziehung des Wertes von Taterträgen bei Jugendlichen

Vor Kurzem veröffentlichte der BGH einen bereits im Januar dieses Jahres gefassten Beschluss des Großen Senats zur Einziehung bei Jugendlichen (BGH, Beschluss v. 20.1.2021 – GSSt 2/20 – LG München II). 

In der Grundsatzentscheidung stellten die Richter klar: Die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73c Satz 1 StGB) ist auch bei Jugendlichen zwingend.

Neuregelung der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung im Juli 2017

Seit Juli 2017 gelten neue Regeln für die Vermögensabschöpfung im Strafrecht. 

Eine wesentliche Änderung besteht darin, dass Gerichte und Staatsanwaltschaften seitdem leichter Vermögen unklarer Herkunft einziehen können, auch wenn die Herkunft aus einer bestimmten Straftat nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden kann. Ausreichend ist nunmehr, dass das Gericht von der illegalen Herkunft von Vermögen überzeugt ist.

Eine weitere wesentliche Änderung betrifft die Härtevorschrift des § 73c StGB a. F.: 

Danach wurde der (damals sogenannte) Verfall nicht angeordnet, soweit er für den Betroffenen eine unbillige Härte gewesen wäre. Die Anordnung konnte zudem unterbleiben, soweit der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden war – er also entreichert war.

Diese Härtevorschrift wurde mit der Reformierung der Vermögensabschöpfung in das Vollstreckungsverfahren verlagert. Das bedeutet, dass das Gericht nunmehr zwingend die Einziehung anzuordnen hat – unabhängig davon, ob der Wert des Erlangten im Vermögen des Betroffenen noch vorhanden ist oder die Einziehung sonst eine besondere Härte bedeuten würde. 

Aus Verhältnismäßigkeitsgründen kann allenfalls die Vollstreckung – also die tatsächliche Durchsetzung der Einziehung – unterbleiben. Die Vollstreckung kann jedoch jederzeit wiederaufgenommen werden.

Anwendung bei Jugendlichen – verschiedene Ansichten der Strafsenate am Bundesgerichtshof

Bislang war umstritten, ob die neuen Einziehungsvorschriften auch im Jugendstrafrecht zwingend anzuwenden sind. Ein Teil der Rechtsprechung und der Literatur war der Meinung, dass den Gerichten im Jugendstrafrecht – anders als im allgemeinen Strafrecht – ein Ermessensspielraum zusteht, sie also von der Anordnung der Einziehung in bestimmten Fällen absehen können. 

Der 1. Strafsenat des BGH hatte einen Fall zu entscheiden, in dem das Landgericht München II einen Heranwachsenden wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung und vielfachen Betrugstaten zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt hatte. Der Angeklagte hatte durch die Taten Geld und Waren im Gesamtwert von ca. 17.000 Euro erhalten, war zwischenzeitlich jedoch vermögenslos geworden. 

Das Landgericht sah von einer Einziehung des Wertes der Taterträge ab. Zur Begründung führte es an, dass die Einziehung von 17.000 Euro den Angeklagten entmutigen und der Versuchung neuer Straftaten aussetzen würde. Das sei mit dem Erziehungsgedanken, der dem Jugendstrafrecht maßgeblich zu Grunde läge, nicht vereinbar.

Gegen das Urteil wendete sich die Staatsanwaltschaft mit der Revision, über die der 1. Strafsenat zu entscheiden hatte. Der Senat teilte die Ansicht des Landgerichts, wonach die Einziehung von Taterträgen und des Wertes von Taterträgen im Jugendstrafrecht nicht zwingend ist.

Sowohl der 2. als auch der 5. Strafsenat hatten zuvor jedoch das Gegenteil entschieden und hielten an ihrer Rechtsauffassung fest, so dass nunmehr der Große Senat zu entscheiden hatte.

Entscheidung des Großen Senats: Kein Ermessen – Einziehung zwingend

Der Große Senat entschied daraufhin, dass die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen auch bei der Anwendung von Jugendstrafrecht nicht im Ermessen des Gerichts steht – also zwingend ist.

Zur Begründung führte er zum einen aus, dass die Regelung nicht in einem unerträglichen Spannungsverhältnis mit jugendstrafrechtlichen Maximen wie der Unzulässigkeit von Geldstrafen oder dem vorherrschenden Erziehungsgedanken stehe. 

Sofern im Einzelfall Gründe gegen die Einziehung sprächen, könnten diese im Rahmen der Vollstreckung berücksichtigt werden, wie bei Erwachsenen.

Eine Ermessensentscheidung sehe das Gesetz zum anderen schlicht nicht vor. Hätte der Gesetzgeber im Jugendstrafrecht eine Modifikation zulassen wollen, wäre eine ausdrückliche Regelung zu erwarten gewesen. 

Abschließend stellt der Senat fest, dass er nicht zu entscheiden hatte, ob der vom Gesetzgeber beschrittene Weg die zweckmäßigste aller denkbaren Lösungen darstellt.

Handlungsmöglichkeiten

Ob im Jugendstrafrecht oder bei Erwachsenen: Nicht selten ist die größte Belastung durch ein Urteil die Anordnung der Einziehung. 

Wir helfen Ihnen dabei, Einziehungsentscheidungen möglichst bereits in der Hauptverhandlung abzuwenden. Aber auch nach der Verurteilung bestehen verschiedene Möglichkeiten, ein Absehen von der Vollstreckung der Einziehungsentscheidung zu erreichen. Wir beraten Sie hierzu gern!